Nächste Veranstaltung: ITEC Clubabend, 25.03.2025 – Alle ITEC Events
Dabei stellen wir den CIOs und CDOs aus dem Norden Fragen zu ihrer Arbeit oder ihrem Unternehmen und bitten um ihre Einschätzung zum IT-Standort Hamburg und zum IT-Executive Club. In dieser Ausgabe haben wir mit Wolfram Nötzel, CIO bei Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR), am Steg an der Alster über seinen Werdegang in der IT, die entscheidenden Eigenschaften eines erfolgreichen CIOs und darüber, wie er stets am Puls der Technologie bleibt.
Name: Wolfram Nötzel
Position: CIO
Unternehmen: Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR)
Die Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) ist eine unabhängige Behörde, die für die Registrierung und Überwachung von Verpackungen in Deutschland verantwortlich ist. Sie sorgt für Transparenz und Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im Verpackungsgesetz und treibt die Digitalisierung der Prozesse voran, um Kreislaufwirtschaft und Umweltschutz zu fördern.
Interview geführt von: Franziska Schmottlach
Februar 2025
Mit 14 Jahren lötete ich meine ersten Elektronikschaltungen zusammen. Ein Fehler im Platinen-Layout kostete mich damals einen ziemlich teuren Bassverstärker. Beim Programmieren auf dem Apple II lief es glimpflicher: Eine Fehlermeldung, Bug fixen, läuft – das war’s! Während meiner Studienzeit der Nachrichtentechnik hatte ich eine kleine Firma, Nötzel Networks GbR - nachts programmiert, tagsüber studiert. In meiner Diplomarbeit habe ich dann ein Directory Service auf der Basis von Novell Netware 3.11 entwickelt und die Protokolle ipx/spx in Assembler um die notwendigen Funktionen erweitert. Es gab Überlegungen in der Selbstständigkeit zu verbleiben, aber ich wollte recht schnell ins Enterprise Business und große IT-Projekte umsetzen.
Nach diversen Stationen als Systemingenieur, Team Lead, Business Unit Manager und Geschäftsführer in 25 Jahren auf der Anbieterseite, wollte ich mich mit Anfang 50 nochmals beruflich verändern und auf die Anwenderseite wechseln. Als erster IT-Mitarbeiter einen Greenfield-Ansatz umzusetzen – eine komplette IT von Grund auf aufzubauen, die richtigen Mitarbeiter:innen zu rekrutieren, das Verpackungsgesetz in Software zu übersetzen und die gesamte Plattform samt Services zu designen – war für mich eine unglaubliche Motivation. Es motiviert ungemein, etwas Sinnstiftendes voranzutreiben und die Nachhaltigkeit in und durch die IT voranzubringen.
Für mich ist Business IT und IT ist Business. Ob neue Softwarelösungen zugekauft, in Eigenleistung oder mit Partnern programmiert werden, es wird immer interdisziplinär agil umgesetzt. Zunächst wird geprüft, ob es sich um ein kompliziertes Vorhaben handelt oder um eine unbekannte komplexe Aufgabenstellung. Bei bekannten, aber sehr zeitintensiven und komplizierten Vorgängen unterstützt die IT mit virtuellen Kanban Boards, handelt es sich um einen komplexen und unbekannten Vorgangsbereich, so unterstützt die IT neue Projekte mittels des SCRUM Frameworks. Im Bereich Recht werden Juristen als Product Owner betraut, ebenso in den Bereichen Analytics & BI sowie Kommunikation, dadurch wird bestmöglich die jeweilige Anforderung der Fachabteilung umgesetzt. Um diese IT Business Integration bestmöglich umzusetzen, bin ich als CIO gemeinsam mit dem Vorstand und allen Abteilungsleitungen im Führungsteam (Executive Leadership Team) wöchentlich im Jour fixe Führungskreis im ganz engen Austausch. Aktuell geht es darum die Europäische PPWR in deutsches Recht umzusetzen und den Spagat von in Time, Budget und Qualität bis Mitte 2026 sauber umzusetzen.
Durch unsere ZSVR IT Sustainability Strategie haben wir die nachhaltige IT-Beschaffung, Lifecycle Management, energieoptimierte Entwicklungsmethoden, einen energetisch optimierten Architekturansatz und den hundertprozentig CO2-neutralen Datacenter-Betrieb umgesetzt. Mit diesen fünf Punkten lässt sich jede IT sehr einfach nachhaltig transformieren.
Durch die Verlagerung des Analyse-Clusters in ein Datacenter, das zu 100% mit regenerativer Energie (Wind- und Wasserkraft) betrieben wird, haben wir innerhalb der Organisation einen echten Mindset-Change hin zur Nachhaltigkeit bewirkt. Es war deutlich sichtbarer als beispielsweise unsere neue Enterprise-Architektur. Im Lifecycle Management hat der jüngste Bericht eine Wiederverwendung unseres alten 1 Petabyte Analyse Clusters zu 92% ergeben.
Aktuell bauen wir unsere eigene KI-Plattform weiter aus, wir können unterschiedlichste Sprachmodelle per Pipeline deployen, trainieren und anwenden. Für mich ist KI tatsächlich eine industrielle Revolution, die uns in den kommenden Jahren ganz viel Automation bescheren wird. Diese Umsetzung reflektiert vollumfänglich unsere Nachhaltigkeitsstrategie. 100% regenerativ betrieben und vollumfänglich per Loadbalancer ressourcenschonend. Bei jedem großen IT-Projekt setze ich mich dafür ein, Nachhaltigkeit als zentrales Kriterium zu verankern.
Ende der 90er hatte ich als Teamleiter ERP Service bei der DTS-Gruppe die schöne Aufgabe, 350 weltweit verteilte Kunden auf der Datenbankseite, als auch auf der Clientseite innerhalb von sechs Monaten umzustellen. Mit zehn Teammitgliedern haben wir dann überlegt, wie das richtige Layout sein könnte, denn der normale Tagesbetrieb musste ja auch weitergehen. Also wurde tagsüber der Service leicht ausgedünnt und in kleinen Teams von vier Personen nachts jeweils bis zu fünf Kunden gleichzeitig umgestellt. Das alles über einen 30-Kanal-ISDN-Multiplexer mit maximal 128kbit pro Kunde. Es hat bis zum 31.12.1999 gedauert, aber dank PHP und unzähliger Shellscripte haben wir alle Umstellungen erfolgreich abgeschlossen. Mental und körperlich war das absolut grenzwertig, ich habe etwa sechs Monate gebraucht um wieder richtig fit zu werden, gleichzeitig hatten wir als Team das Gefühl wir können alles erreichen, wenn wir nur wollen.
Ich sehe meine Rolle als CIO bestmöglich umgesetzt nach dem Servant Leadership Prinzip, also als unterstützende Rolle. Eigenverantwortliches Handeln aller Teams und Mitarbeiter:innen ist innerhalb der IT aufgrund der Komplexität unabdingbar. Als Mentor, Zuhörer und emphatischer Leader fördere ich jeden einzelnen und schaffe so einen Raum für neue Ideen und Kreativität. Der Fokus liegt darauf, die Bedürfnisse meiner Teams und Mitarbeiter:innen zu erkennen und ihnen bei ihrer Entwicklung und Entfaltung hilfreich zur Seite zu stehen. Eine offene und ehrliche Reflektion befördert das Mitarbeiterengagement und die Schaffung einer positiven Unternehmenskultur und führt zu einer höheren Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter:innen, da es sich um „ihre“ Projekte und Ideen handelt. Gutes IT-Leadership zeigt sich immer an einer geringen Personalfluktuation.
Gefährliche Frage, denn dazu könnte ich stundenlang Antworten geben, aber entscheidend sind wohlmöglich drei wesentliche Kompetenzen:
Ein sehr ausgeprägtes strategisches Denken und Business-Verständnis sowie die Fähigkeit, IT-Strategien mit den Unternehmenszielen zu verknüpfen und ein integratives IT-Business-Modell basierend auf dem Strategic Alignment Modell abzugleichen.
Der Mut zu Change Management und Transformation - die Fähigkeit, Wandel aktiv zu gestalten und Mitarbeitern durch Veränderungen zu führen und mitzunehmen. Durch Kommunikationsstärke und Stakeholder-Management mit Herz und Hirn IT-Themen verständlich an Vorstand und Fachbereiche vermitteln. Insbesondere KI-Themen bedürfen dieser Fähigkeit.
Ein CIO sollte nicht nur Technologieexpert:in sein, sondern auch als Business-Strateg:in, Innovator:in und Führungspersönlichkeit agieren. Und genau hier sehe ich den großen Unterschied zu den 90er und 2000er Jahren. Im Laufe der Zeit sind die benötigten Soft Skills immer wichtiger geworden, wobei man seine technologischen Themen schon beherrschen sollte.
Vielen Dank! Diese Auszeichnung im Bereich Sustainability bedeutet mir sehr viel, da wir besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legen, beispielsweise durch die Erfüllung von Recyclingquoten. Ich möchte jedem CIO raten, sich unbedingt mit einem spannenden Transformationsprojekt zu bewerben, denn während man die Bewerbung schreibt, reflektiert man nochmals die einzelnen Schritte, Stolpersteine, aber auch den Nutzen! Mich haben unzählige Glückwünsche erreicht, was auch intern die Sichtbarkeit der IT weiter gestärkt hat – auch wenn mein Vorstand schon zuvor die Leistungsfähigkeit unserer IT sehr geschätzt hat, wofür ich dankbar bin.
Wer also keine Scheu davor hat, dass der eigene LinkedIn-Account vor Glückwünschen überläuft, sollte die Chance nutzen und sich für den CIO des Jahres bewerben – es lohnt sich in jeder Hinsicht!
Ich bin sehr neugierig, daher fällt es mir leicht neue Trends zu durchdringen und richtig einzuordnen. Mit dem Web und Tech Kongressen gelingt die richtige Balance, um für uns die Usecases herauszuarbeiten und die Wirtschaftlichkeit zu hinterfragen. Ich mag den sehr vertraulichen Austausch der Club-Mitglieder untereinander. Es wird Klartext gesprochen und es gibt genug Raum und Formate, um wirklich alle relevanten Themen zu besprechen. Oftmals verknüpft mit übergeordneten gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel. Mir gefällt besonders das Miteinander auf Augenhöhe!